Veröffentlichungen | Abstract
Wertpapierliquidität und Wertpapierpreise
in: Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung, Band 91,
Gabler Verlag, Wiesbaden 1999
Prof. Dr. Alexander Kempf [University of Cologne]
Abstract:
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem zentralen Entscheidungsproblem
der Finanzwirtschaft, der optimalen Verwendung knapper finanzieller Ressourcen.
Sie konzentriert sich hierbei auf Investitionen in Finanzanlagen.
Investitionsentscheidungen auf Finanzmärkten wurden bereits in einer
Vielzahl von Arbeiten analysiert. Die ersten Studien unterstellten hierbei,
daß Anleger die Investitionsalternative wählen, bei der sie den
höchsten Ertrag erwarten. Die Forschung konzentrierte sich primär
auf die Fragestellung, auf welche Weise ein Investor die optimale Anlagealternative
herausfinden kann. Ein prominentes Beispiel hierfür stellt das Dividenden-Barwert-Modell
von Williams (1938) dar.
Es ist das Verdienst des späteren Nobel-Preisträgers für Wirtschaftswissenschaften,
Harry M. Markowitz, die Bedeutung des Risikos bei Investitionsentscheidungen
herauszustellen. Nach seiner Theorie besteht das Ziel von Anlegern nicht in
der ausschließlichen Maximierung des erwarteten Ertrages, sondern im
optimalen Abwägen zwischen erwartetem Ertrag und einzugehendem Risiko
innerhalb eines Portfolios. Seine wegweisende Arbeit [Markowitz (1952)] kann
als die Geburtsstunde der Portfolio-Theorie und der gesamten modernen Kapitalmarkttheorie
gelten. Sie prägte vermutlich wie keine zweite Arbeit die weitere Entwicklung
des Faches. Im Capital-Asset-Pricing-Modell von Sharpe (1964), Lintner (1965)
und Mossin (1966) wurden die Ideen von Markowitz verwendet, um Gleichgewichtspreise
von Aktien abzuleiten. Selbst die berühmte Optionspreisformel von Black/Scholes
(1973) kann als Weiterentwicklung des Capital-Asset-Pricing-Modells verstanden
werden.
In den vergangenen Jahren wurden die eben zitierten Arbeiten in mancherlei
Hinsicht weiterentwickelt. Eine zentrale Forschungsrichtung bestand hierbei
in der Aufgabe der Annahme friktionsloser Finanzmärkte. So wurde beispielsweise
der Einfluß von Transaktionskosten, Leerverkaufsbeschränkungen
und Steuern auf Investitionsentscheidungen und in der Folge auf Wertpapierpreise
untersucht.
Eine bedeutende Form von Marktfriktionen, die mangelnde Liquidität von
Wertpapieren, wurde in den Investitionstheorien und Bewertungsmodellen der
Literatur allerdings bisher kaum analysiert. Dies ist überraschend angesichts
der Tatsache, daß Marktteilnehmer der Liquidität von Wertpapieren
eine große Bedeutung beizumessen scheinen. Handa und Schwartz konstatieren
beispielsweise: "Investors want three things from the markets: liquidity,
liquidity, and liquidity." Man muß sich dieser Einschätzung sicherlich
nicht in ihrer Schärfe anschließen, doch dürften Liquiditätsüberlegungen
bei der Zusammenstellung von Wertpapierportfolios - besonders bei institutionellen
Anlegern - eine bedeutende Rolle spielen.
Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, Liquidität als wesentliche
Determinante von Investitionsentscheidungen in Investitions- und Bewertungsmodelle
zu integrieren. Im Zentrum der Arbeit steht dabei die Beantwortung der folgenden
Fragen:
- Wie läßt sich die Liquidität eines Wertpapiers definieren und messen?
- Warum ziehen Investoren liquidere Wertpapiere c.p. weniger liquiden vor?
- Wie schlägt sich die Liquidität eines Wertpapiers in seinem Preis nieder?
Diesen Fragen wird in den Kapiteln 3-5 nachgegangen, wobei jedem Problemkreis ein eigenes Kapitel zugeordnet ist. Die Analyse erfolgt hierbei im Rahmen möglichst einfacher theoretischer Modelle. Mit diesen gelingt es, den ökonomischen Kern des Problems herauszuarbeiten und zu analysieren. Die Arbeit sollte deshalb als grundlegende Studie zur Wertpapierliquidität verstanden werden, deren Ziel in der umfassenden, aber einfachen Analyse des Gesamtproblems besteht. An allen Stellen der Arbeit bieten sich deshalb Ansatzpunkte zu Weiterentwicklungen, deren Ausarbeitung nachfolgenden Studien überlassen wird.
Die theoretischen Analysen der Kapitel 3-5 werden ergänzt durch eine Einordnung der Arbeit in die betriebs- und volkswirtschaftliche Liquiditätsliteratur (Kapitel 2) und eine empirische Studie zur Liquidität von Futureskontrakten (Kapitel 6), in der wesentliche theoretische Ergebnisse der Arbeit empirisch überprüft werden. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der zentralen Resultate in Kapitel 7.